So treffen Sie gute Entscheidungen

Gerade hat McKinsey & Company (1)⬇️ es wieder beschrieben.

Viele Unternehmen verbringen endlose Stunden in Meetings, die gefühlt nicht produktiv sind.

Wie wird in den Organisationen eigentlich festgelegt, wer entscheidungsberechtigt ist? Gibt es überhaupt eine offene Debatte darüber?

Verschiedene Modelle, die ich in meinen Trainings verwende, können hier hilfreich sein. Am einfachsten zu erklären ist es mit Jurgen Appelos Delegation Poker.

Im Delegation Poker (2) ⬇️ gibt es sieben verschiedene Entscheidungswege.

1 Tell – Die Führungskraft trifft eine Entscheidung und stellt die Mitarbeitenden vor vollendete Tatsachen

2 Sell – wie oben, aber die Führungskraft versucht, die Entscheidung mit guten Argumenten sinn- und und glaubhaft zu vermitteln

3 Consult – die Führungskraft behält das Entscheidungsrecht, hört sich aber die Meinungen von anderen an. Experten etc. werden konsultiert.

4 Agree – eine gemeinsame Entscheidung wird getroffen, das dürfte in der Regel eine qualifizierte oder einfache Mehrheitsentscheidung sein

5 Advise – das Entscheidungsrecht wird von der Führungskraft delegiert. Entweder an das Team oder eine einzelne Person. Es wird erwartet, dass man vor der Entscheidung den Rat der Führungskraft einholt.

6 Inquire – das Entscheidungsrecht ist delegiert. Die Führungskraft möchte über das Ergebnis informiert werden.

7 Delegate – wie oben, aber die Führungskraft legt keinen Wert auf eine Information.

Für den praktischen Prozess schlägt Apello vor, eine Liste zu erstellen, bei der wichtige Prozesse und Entscheidungen gelistet werden und für diese festgelegt wird, welchen Entscheidungsweg man vereinbart.

Beispiel aus meiner Coachingpraxis: ein Team von Führungskräften im Service will festlegen, wie die jährlichen Boni der Mitarbeitenden verteilt werden. Wir spielen im Workshop eine Runde Delegation Poker. Claus, der Chef, zieht eine 5 für Advise. Er möchte also die Entscheidung seinen Abteilungsleitern überlassen. Steffi, Simone und Frank, allesamt etablierte Führungskräfte ziehen ebenfalls die Karten 5 für Advise oder 6 für Inquire. Nur Klara wünscht sich eine 3. Klara ist eine junge Führungskraft, die erst sein ein paar Monaten Abteilungsleiterin ist. Sie möchte gerne, dass Claus das letzte Wort hat, da er die Personen besser kennt.

Das Team verabredet im allgemeinen für diese Entscheidung den Entscheidungsweg 5 – Advise. Klara wird sich in diesem Jahr mit Claus treffen, und die Entscheidungen Claus überlassen. Sie wird sich vorbereiten und ihre Perspektive mitbringen, fühlt sich aber wohler, wenn Claus die Verantwortung übernimmt.

Was hat dieses Verfahren mit psychologischer Sicherheit zu tun?

Jurgen Appelo beschreibt in seinem Buch Management for Happiness das Problem der „invisible fences“, der unsichtbaren Zäune. Damit benennt er das Szenario, dass sich Führungskräfte implizit die Entscheidungsmacht vorbehalten, dem Team aber mehr oder weniger bewusst den Eindruck vermitteln, es könne eigenverantwortlich eine Entscheidung treffen. Wenn das so ist, gehen die Teammitglieder vielleicht motiviert ans Wert, diskutieren und ringen um eine Lösung, präsentieren einen Lösungsvorschlag und erleben dann, dass es am Ende anders entschieden wird. Man läuft sozusagen frei über eine Wiese und bekommt am Ende einen schmerzhaften Stromschlag an einem unsichtbaren Zaun. Und dann? Frust und Demotivation sind das wahrscheinliche Ergebnis.

So werden Entscheidungen effizient und zielorientiert organisiert.

In vielen Organisationen arbeitet man mit RASCI oder RACI-Tabellen. Man legt mit „Accountability“ und  „Responsibility“ Verantwortung für Ergebnisse fest. Man definiert, wer konsultiert werden soll und wer relevanten Informationen bekommt.

❓Aber bedeutet Verantwortung, dass man die Entscheidung selbst trifft? Bedeutet Konsultation, dass man ein Vetorecht hat?

👉 Delegation Poker sorgt für Klarheit, wer zu den Entscheiden gehört, wer konsultiert wird und wer Lösungsvorschläge erarbeiten darf und möglicherweise betroffen ist, aber kein Entscheidungsrecht hat. Es sorgt daher für Verlässlichkeit und einen klar strukturierten Prozess. Damit werden die Sicherheit, die Orientierung und das Gefühl von Fairness im Team gestärkt.

Wenn die Führungskraft das Entscheidungsrechte aus den Händen gibt, hat das einen Vorteil und einen Nachteil.

Vorteil 1: vielfältige Meinungen und Perspektiven ermöglichen es, eine ausgewogene Entscheidung zu treffen. Insbesondere, wenn die Entscheidung unter Unsicherheit getroffen wird, besteht wahrscheinlich eine bessere Chance auf Erfolg. Auf diesem Prinzip beruht die Meritokratie, die Ray Dalio (3) ⬇️ bei dem Investmenthaus Bridgewater Associates eingeführt hat. Jeder am Tisch hat einen Track Record. Das Stimmrecht derjenigen, die in der Vergangenheit im Nachhinein die besten Entscheidungen getroffen haben, zählt mehr.

Vorteil 2: Außerdem ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass sich diejenigen, die an der Entscheidung beteiligt waren, deren Stimmen gehört und Meinungen integriert wurden, auch an die Entscheidung gebunden fühlen.

Der Nachteil besteht darin, dass die Vorstellung, die Sammlung von Perspektiven und die Entscheidungsfindung wahrscheinlich länger dauern. Daher ist die Delegation von Entscheidungen eher nicht geeignet für den Krisenfall, in dem schnelle Entscheidungen getroffen werden müssen, um schnell handlungsfähig zu werden. Die frühen Phasen der Pandemie in Deutschland waren von so einem Krisenmanagement durch die Bundesregierung geprägt.

Ausgewählte Entscheidungsverfahren

Wenn Verantwortung delegiert wird,  ist es notwendig, klar definierte Entscheidungsprozesse zwischen den Entscheidern zu verabreden, denn sonst verlieret man sich in unendlichen Diskussionen und bringt nur schwer gute Entscheidung zu Tage. Das ist dann aber weniger das Versäumnis der Entscheider, sondern einer unzureichenden Antizipation und Vorbereitung geschuldet.

Zu solchen Entscheidungsverfahren, die aus dem Bereich des New Work und der Selbstorganisation (4) ⬇️ stammen, gehören:

Konsultativer Einzelentscheid – ein oder mehrere Entscheider bekommen von einem Team das Mandat, nach Konsultation von Experten eine Entscheidung im Namen des Teams zu treffen.

Integrative Entscheidungsfindung – Ein Vorschlag, der im Vorfeld von einer Gruppe erarbeitet wurde, wird zur Abstimmung gestellt. Dabei gibt es Zustimmung, Enthaltung, Einwände, gravierende Einwände und Vetos. Wenn keine gravierenden Einwände oder Vetos vorliegen, gilt ein Vorschlag als angenommen. Gravierende Einwände müssen in einem neuen Vorschlag eingebracht und integriert werden.

Widerstandsabfrage – mehrere alternative Vorschläge werden zur Abstimmung gestellt. Das Maß der Ablehnung entscheidet über die Annahme. Der Vorschlag mit dem geringsten Widerstand gilt als angenommen. Dazu kann auch zählen, dass kein Vorschlag angenommen wird und der Status Quo erhalten bleibt. Diese Option kann helfen, eine konstruktive Perspektive auf verschiedene Vorschläge zu bekommen.

Für weitere Informationen und Trainingskonzepte zu diesen und anderen agilen Verfahren stehe ich gerne zur Verfügung.

Fazit

Ein Team ist in einer komplexen Welt immer nur so gut, wie es situativ den Anforderungen angepasst agiert. Nicht alles muss geregelt sein, aber, wenn die Kommunikation und Interaktion zwischen Menschen relevant für Entscheidungen ist, dann sollten die Mechanismen und Formate zumindest bekannt und situativ verabredet sein. Führungskräfte sollten einen guten Überblick über agile Methoden haben, um sich nicht zu verlieren und Delegation an Entscheider ziel- und aufgabenorientiert gestalten zu können.

Quellen:

(1) Mc Kinsey & Company

https://www.mckinsey.com/capabilities/people-and-organizational-performance/our-insights/if-were-all-so-busy-why-isnt-anything-getting-done?cid=other-eml-ofl-mip-mck&hlkid=3146ef947e9846d28f1c066aa0bd7304&hctky=15489901&hdpid=b5963f5e-27ac-45bc-a7bb-820061aafdbb

(2) Jurgen Appelo: Management for Happiness

https://management30.com/practice/delegation-poker/

(3) Ray Dalio: Principles

https://www.principles.com/

(4) Bernd Oestreich, Claudia Schröder: Werkstatt für kollegiale Führung

https://kollegiale-fuehrung.de/

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