So hilfst du deinem Team, besser mit Herausforderungen und Stress umzugehen

Growth Mindset

Stell dir vor, dein Kind gewinnt beim Sportfest eine Medaille 🥇 und fragt dich nachher, „und, wie war ich?“ Du, stolz wie Bolle, lobst dein Kind „du warst super 🙌, mega-coole Performance!“Und dann wunderst du dich, weil dein Kind dir sagt, „ich dachte, du sagst mir, was ich gut gemacht habe und was ich besser machen kann“.

Dieses Gespräch, das ich hier in Anlehnung an einen Abschnitt aus den neuen Buch von Amy Edmondson – The Right Kind of Wrong zitiere, skizziert den Unterschied zwischen einem Growth Mindset und einem Fixed Mindset. Die US-Forscherin Carole Dweck beschreibt mit diesen Begriffen zwei unterschiedliche Haltungen, also zwei Sets von Glaubenssätzen, zur Entwicklung von Fähigkeiten, die zu sehr unterschiedlichen Herangehensweisen an Herausforderungen führen.

Fixed Mindset bedeutet grob, dass ich glaube, dass meine Intelligenz und meine Fähigkeiten statisch sind. Entweder ich bin ein guter Musiker oder ich bin kein guter Musiker. Wenn ich glaube, dass ich kein guter Musiker bin, dann werde ich mich scheuen, öffentlich aufzutreten.

Wie entstehen solche Glaubenssätze? Als Kind habe ich Gitarrenunterricht in der Jugendmusikschule genommen. Ich habe es gehasst. Und dann wurde von mir erwartet, dass ich in einer gänzlich unmusikalischen Familie alleine am Heiligen Abend Weihnachtslieder auf der Gitarre vortrage. Die Lieder waren objektiv nicht so schwer. Aber aus so einer Haltung heraus scheue ich jegliche Hinternisse und Herausforderungen. Versagensängste führen dazu, dass ich Gefahren für mein Selbstbild vermeide. Ich habe meine Gitarre fast 35 Jahre nicht mehr angerührt.🙁

Growth Mindset: beruht auf der Idee, dass Fähigkeiten entwickelt werden können. Mit dieser Haltung stellen Herausforderungen und Hindernisse Möglichkeiten zum Wachstum dar. Growth mindset hängt stark davon ab, dass ich verstehe, wie Lernen funktioniert.

Ungefähr vor 10 Jahren habe ich mit der Hilfe von vielen Internet-Tutorials und Apps, wieder Freude daran gefunden, Gitarre zu spielen. Durch meine Kenntnis der Neuroplastizität habe ich inzwischen verstanden, wie kontinuierliches Üben zu einer Neuverschaltung im Gehirn führt. Inzwischen spiele ich regelmäßig Bassgitarre in einer Band, und wir treten öffentlich auf. Klar ist, dass ich vor einem Auftritt solange üben muss, bis die Stücke absolut automatisiert sind.

Wenn ich mich verspiele, dann sehe ich es als Bestätigung, dass ich immer noch nicht genug geübt habe. Und ja, ich spiele sogar alleine Weihnachtslieder bei unserem jährlichen lebendigen Adventskalender, auch wenn mich „Fröhliche Weihnacht“ immer noch ärgert. 😀

Stress-Is-Enhancing Mindset

In diesem Zusammenhang ist noch die Forschung von Ally Crum und David Yeager wichtig. Dabei geht es um die Haltung, die wir zu Stress haben. Denn, wenn wir uns Herausforderungen stellen, ist es unausweichlich, dass wir mit Unwohlsein und Stress konfrontiert sind. Crum und später dann Yeager haben in ihren Studien gezeigt, dass eine positive Haltung zu Stress dazu führt, dass man besser mit Stress umgehen kann und unter Stress bessere Ergebnisse erzielt.

Crum unterscheidet zwei Haltungen, bei denen Stress als Verbesserer (enhancing) oder als Verschlechter (debilitating) von Leistung angesehen wird. Die Forschung zeigt, dass es hier keine objektive Wahrheit gibt, sondern die eigenen Glaubenssätze von Stress entscheidend sind für die Wirkung.

Stress verbessert Performance, wenn er als Hilfe zu Fokus und Aufmerksamkeit angesehen wird. Damit ermöglicht Stress uns, auf die Verbesserungsmöglichkeiten zu fokussieren.

Stress verschlechtert Performance, wenn er als Gefahr angesehen wird. In diesem Fall löst Stress eine negative emotionale Reaktion aus und eine kognitive Analyse von Leistung ist nur eingeschränkt möglich.

Yeager und Crum haben gezeigt, dass die Vermittlung von Kenntnissen von positiven Auswirkungen von Stress bereits positive Auswirkungen auf Leistungsfähigkeit haben kann. Dabei ist es wichtig zu sagen, dass wohl niemand die physischen und emotionalen Symptome von Stress wirklich mag. Das Gefühl von Unwohlsein, muskulärer Verspannung, Kurzatmigkeit oder gestiegenem Blutdruck finde ich zumindest nicht wirklich angenehm.

Fünf Tipps für Führungskräfte

👉Tipp Nummer 1: Erkläre deinem Team die positive Absicht und die positiven Auswirkungen von Stress, um besser mit Unwohlsein umgehen zu können.

Beispiel: immer, wenn ich eine neue Gruppe zum ersten Mal treffe, schlafe ich in der Nacht davor nicht gut, weil ich gestresst bin. Das liegt daran, dass mir die Gruppe wichtig ist und die Situation sehr unsicher ist, weil ich nicht weiß, was mich erwartet. Stress entsteht also, wenn mir eine Sache wichtig ist und die Situation unsicher ist. Daran ist nichts Schlechtes, solange ich nicht dauerhaft schlecht schlafe.

Wichtig ist, dass man den Stress nicht „wegdrückt“ und sich zusätzlich für das Stressgefühl schämt. Ein wirksamer Hack aus der Achtsamkeitsforschung besteht darin, Stress zu akzeptieren, zu beobachten und ggf. einen Namen dafür zu finden. „Ah, hier kommt mein innerer Stress-Coach wieder hoch und will mir sagen, dass ich mich konzentrieren soll.“

👉Tipp Nummer 2: Hilf deinem Team, Stress zu akzeptieren und achtsam damit umzugehen. Stress und Unwohlsein gehören zum Leben.

Die Stressforschung geht davon aus, dass kurzfristiger Stress positive Wirkungen haben kann. Durch Stress wird Fokus geschärft und mentale und körperliche Ressourcen werden aktiviert. Erst dauerhafter Stress, der mit einem dauerhaft erhöhten Kortisolspiegel einhergeht, stellt ein gesundheitliches Problem dar, insbesondere wenn er zu dauerhaften Schlafstörungen führt.

👉Tipp Nummer 3: Hilf Deinem Team zwischen kurzfristigem und dauerhaften Stress zu unterscheiden. Achtet aufeinander. Dauerhafter Stress lässt sich nicht beschönigen.

Aus der Forschung von Carol Dweck leiten sich wichtige Hinweise für wirksames Feedback ab . Studien haben gezeigt, dass Feedback, das „labels“ verteilt über Leistung und Persönlichkeit, z.B. „du warst super, du bist ein toller Projektleiter 🙌“ – nicht zu einer Leistungssteigerung führen, sondern im Gegenteil dazu, dass Probanden weniger Herausforderungen anzunehmen bereit waren und tatsächlich sogar weniger gute Leistungen erbracht haben. So wird der fixed mindset bestärkt.

Feedback zu Qualitäten der Ausführung einer Aufgabe, z.B. zu Ausdauer, der Anstrengung oder der Strategie führte in Carol Dwecks Studien dagegen dazu, dass größere Herausforderung angenommen wurden. Wenn ich weiß, welche Strategien wirksam sind, wird der growth mindset bestärkt.

Beispiel: „du hat das Team durch deine klare Kommunikation mitgenommen und eine klare Erwartungshaltung vermittelt. Du hast dir ausreichend viel Zeit genommen, um in Einzelgesprächen die Bedenken einzelner aus dem Wege zu räumen. So hast du einen hohen Rückhalt im Team für die anstehenden Aufgaben geschaffen.“

👉Tipp Nummer 4: Wenn Du als Führungskraft Feedback gibst, verwende Verben, die die Ausführung der Aufgabe beschreiben.

Das gilt sowohl für positives Feedback, denn so werden eher neue Herausforderungen angenommen. Es gilt aber auch für negatives Feedback. Feedback sollte helfen, das Verhalten zu analysieren, dass zu einem Fehler geführt hat, anstatt negative Gefühle über den Fehler auszulösen.

👉Tipp Nummer 5: Hilf Deinem Team, die eigenen Lernfortschritte zu sehen.

Wir alle tendieren dazu, uns mit anderen Menschen zu vergleichen. Aber, es wird immer Menschen geben, die reicher, schöner und erfolgreicher sind als wir, oder? Viel wichtiger für die Motivation zum persönlichen Fortschritt ist es, sich mit seinem eigenen Ich vor, sagen wir, 5 Jahren zu vergleichen. Was kann ich heute, was ich damals nicht konnte? Wie habe ich es geschafft, besser zu werden? In den meisten Fällen ist das Geheimnis des Erfolgs Fokus, Anstrengung und Zeit in eine Sache zu investieren. So ist es bei der Gitarre, so ist es in meiner Tätigkeit als Coach und Berater. Diese Perspektive und Ehrlichkeit mit sich selbst stärkt positive Glaubenssätze zu Lernen und Entwicklung.

Quellen:

Trevor Ragan: The Learner Lab Podcast, Episoden vom 11.7. und 27.6.23

Laurie Santos: The Happiness Lab Podcast, Episode vom 23.11.21

Huberman Lab Podcast, Episode vom 17.03.23

Scott Barry Kaufman: The Psychology Podcast, Episode vom 12.03.20