Wie kann ein Team erfahren, was Komplexität bedeutet und wie eine Gemeinschaft damit erfolgreich umgehen kann?

In einem Workshop wird mit dem Team das Zollstockspiel gespielt. Worum geht es dabei?

10 Personen halten einen Zollstock auf Brusthöhe vor sich horizontal in der Luft. Jede Person legt nur den Zeigefinger der rechten Hand unter den Zollstock. Das Ziel ist, den Zollstock gleichmäßig und immer in der Horizontalen auf den Boden abzulegen. Randbedingung: jede Person muss immer den Kontakt des Fingers zum Zollstock sicherstellen. Was passiert: zu Beginn wandert der Zollstock auf wundersame Weise immer weiter nach oben. Nach einiger Zeit der Überraschung kommt es zu Kommentaren und gegenseitigen Vorschlägen, was man denn wohl anders machen müsste. Das Ergebnis: es wird nicht besser, der Zollstock verharrt auf einem Niveau, sinkt aber nicht tiefer.

Erst nach einiger Zeit findet die Gruppe heraus, dass es nur durch gegenseitige respektvolle Kommunikation geht. Vieles passiert nun nonverbal. Nach einigen Minuten legt die Gruppe unter Applaus den Zollstock auf den Boden.

Erst nach einiger Zeit findet die Gruppe heraus, dass es nur durch gegenseitige respektvolle Kommunikation geht. Vieles passiert nun nonverbal. Nach einigen Minuten legt die Gruppe unter Applaus den Zollstock auf den Boden.

Was lässt sich aus dieser Übung über Führung und Zusammenarbeit im Team unter komplexen Rahmenbedingungen ableiten?

Ein Team ist eine Gruppe von Menschen mit einer gemeinsamen Aufgabenstellung.

Führung ist die Beeinflussung dieser Gruppe mit dem Ziel der Lösung der gemeinsamen Aufgabenstellung.

Wenn man für dieses Spiel ein Modell suchen wollte, dann könnte man die Stacey-Matrix verwenden. Danach lassen sich Aufgabenstellungen entlang der beiden Achsen Klarheit der Aufgabe und Klarheit des Prozesses in einfach, kompliziert und komplex unterteilen.

Die Zollstockübung ist danach eine komplexe Aufgabe, da zwar die Aufgabe klar ist, der Prozess aber völlig unklar und vor allem nicht intuitiv ist. Durch den leichten Druck beim Kontaktaufnehmen des Fingers mit dem Zollstock hebt sich der Zollstock in der Summe zunächst immer weiter nach oben. Erst durch die gemeinsame Wahrnehmung von Aktion und Reaktion und abgestimmtes langsames Absenken gelingt es schließlich die Aufgabe zu lösen.

Anders ausgedrückt bedeutet Komplexität, dass die Vielfalt der möglichen Lösungen sehr groß ist und die Vorhersehbarkeit der Auswirkungen einzelner Schritte sehr gering ist.

Unter diesen Bedingungen ist Selbstorganisation effektiver als Vorgaben von außen.

Eine externe Vorgabe wäre in diesem Spiel nur reaktiv gewesen. Es wäre unmöglich gewesen, das Verhalten aller Spieler vollständig zu prognostizieren und daraus eine Handlungsempfehlung ableiten zu können. Die Unmöglichkeit dieses Vorhabens lässt sich erkennen, wenn man bedenkt, dass die Kybernetik dazu sagt, dass solche Anweisungen nur effektiv sind, wenn das Gehirn des Kontrollierenden mehr Zustände annahmen kann als die Gehirne aller zu Kontrollierenden zusammen. Nur durch Kommunikation untereinander sowie Versuch und Irrtum gelingt es, den Rhythmus zu finden, in dem man die Aufgabe meistern kann.

Neben der Tatsache, dass eine gemeinsame Lösung schneller gefunden wird als durch zentrale Vorgabe, setzt diese Art von Lernen und Problemlösung außerdem Begeisterung frei. In der Regel sind alle Spieler nach der Übung erfreut über die gemeinsam und selbstorganisiert gefundene Lösung. Es wäre wesentlich weniger befriedigend gewesen, wenn man das Ziel auf Anweisung erreicht hätte. Damit ermöglicht selbstorganisierte Problemlösung positive Erfahrungen und erhöht die Veränderungsfähigkeit alle Mitglieder des Teams.