Arbeitsplatz mit Blick auf die Elbe oder lieber Home Office?

Ein typischer Anblick: modern eingerichtete Büros in Top-Lage stehen leer.

Ein Arbeitsplatz mit Blick auf die Elbe und den Hafen?

Reicht das aus, um Mitarbeitende zu motivieren, im Büro statt im Home Office zu arbeiten? Ist es überhaupt nach Corona noch möglich, Menschen zur Arbeit im Büro zu motivieren? Und wenn ja, wie geht das? Oder macht die Geschäftsführung einfach Ansagen bzw. schließt eine Betriebsvereinbarung ab, um den Handlungsspielraum zu begrenzen?

Das sind Fragen, die mir in den letzten Wochen und Monaten immer öfter über den Weg laufen.

Eigentlich sollten Führungskräfte ja davon ausgehen, dass verantwortungsvolle und gestaltende Mitarbeitende selbst wissen, wann es Sinn macht, im Büro zu arbeiten und sich zu vernetzen und wann es mehr Sinn macht, konzentriert von zuhause, also mobil zu arbeiten.

Ich möchte hier gerne einmal zusammenfassen, welche Aspekte in dieser Diskussion wichtig sind, um die richtigen Weichen zur Zusammenarbeit zu stellen.

1. Wir Menschen sind Gewohnheitstiere

Die Hirnforschung hat bewiesen, dass Veränderung von Gewohnheiten viel Energie kostet. Nun haben viele Menschen in der Pandemie zwangsläufig ihre Gewohnheiten umgestellt und viel von zuhause gearbeitet. Daher ist es wichtig zu hinterfragen, ob man „weiß“, von man die beste Leistung erbringt, oder sich der eigenen Gewohnheit hingibt.

In der New York Times hieß es 2022, das neue Mantra der Post-Covid Phase lautet: „ich hatte eigentlich keine Lust, aus dem Haus zu gehen, aber im Nachhinein bin ich doch froh, es getan zu haben.“

Das erfasst ziemlich genau, wie Gewohnheiten wirken. Der Automatismus der Gewohnheiten spart Energie und wenn man diesen Automatismus nicht hinterfragt, belohnt es das Gehirn mit einem kurzfristigen positiven Hormoncocktail. Instant gratification nennt die Verhaltenswissenschaft diesen Mechanismus. Langfristig geht einem damit aber etwas verloren. Über den eigenen Schatten zu springen, kann zu einem großen Gewinn führen, man muss halt erstmal mehr Energie aufwänden. (siehe James Clear: Die 1% Methode.)

Dazu sind Incentives nützlich, die neugierig machen und den Mehraufwand belohnen. Dazu gehören Aktionen am Arbeitsplatz, die Netzwerke und Teilhabe stärken, die Wissen vermitteln oder die den Mitarbeitenden das Gefühl vermitteln, einen Beitrag zu leisten. Bei einer großen Versicherung in Köln stand im Advent 2022 ein riesiger Weihnachtsbaum im Foyer, an dem Mitarbeitende kleine handgeschriebene Anhänger aufhängen konnten, auf denen Charity-Projekte beschrieben sind, die die einzelnen Mitarbeitenden unterstützen. Um einen solchen Beitrag zu leisten und sich als Teil der Gemeinschaft zu fühlen, war es nötig, ins Büro zu kommen. Außerdem finden bei dieser Versicherung regelmäßig Aktionen wie „werde ein MS Teams Ninja“ statt, bei denen man vor Ort zusätzliches Wissen erlangen kann.

2. Kommunikation wird auf das Kernteam reduziert

Kunden haben beobachtet, dass Menschen ihre Kommunikation auf ihr Kernteam fokussieren, weil Abstimmungen mit Teams etc. aufwändiger sind als von Tür zu Tür. Das geht auf Kosten der weiteren, informellen Netzwerke, die wichtig sind für die Abstimmung z.B. zwischen Projekten und Geschäftsbereichen.

Um hier gegenzusteuern ist es wichtig, sich klar zu sein, welche tatsächlichen fachlichen Gründe es gibt, sich über Grenzen von Abteilungen hinweg zu vernetzen. Was macht letztlich ein Team aus? Gemeinsame Ziele, gemeinsame Erfolge und in Krisen füreinander einzustehen sind Elementen von Teams, die regelmäßig gestärkt werden müssen, wenn es über den engsten Kreis der Kollegen und Kolleginnen hinaus geht. Hier sind beispielsweise Expertentreffs (im New Work Jargon auch Gilden genannt) sinnvoll. Java-Programmierer treffen sich regelmäßig, auch wenn sie normalerweise in unterschiedlichen Kundenprojekten arbeiten. Erfahrungsaustausch zwischen Projektleitern, kollegiale Beratung von Führungskräften, gemeinsame Retrospektiven etc. sind geeignete Formate, um die übergreifende Kommunikation sicherzustellen.

3. Identifikation mit dem Unternehmen geht verloren

In der Corona-Zeit is es stark zu einer Individualisierung von Bedarfen gekommen. Statt sich in der Kantine zu treffen, wuchs die Nachfrage nach Restaurantgutscheinen. Man ging lieber in das Fitness-Studio um die Ecke, als das Angebot des Unternehmens in der Nähe des Büros zu nutzen. Baustellen und sonstige Verkehrsbehinderungen leisten ihren Beitrag dazu, den Weg zur Arbeit unattraktiv zu machen.

In der Summe aus weniger Kommunikation und weniger Gemeinsamkeit geht nach Ansicht vieler Beobachter die Identifikation mit dem Unternehmen verloren. Die Identifikation findet eher mit dem eigenen Team statt als mit dem Unternehmen. Natürlicherweise fällt dieses Umstand eher den übergreifend arbeitenden Führungskräften aus, weshalb der Ruf nach mehr Präsenz dann auch vor allem von Geschäftsführern kommt. Hier gilt es, klar zu machen, warum die Zusammenarbeit im Unternehmen Sinn macht und was die besonderen Stärken und Fähigkeiten des Unternehmens ausmacht. (siehe z.B. das Interview mit Telekom-Chef Timotheus Höttkes im Münchner Merkur im August 2022).

Titelbild des New Yorker im Dezember 2020.

Aber Identifikationsverlust ist nicht nur bei Führungskräften ein Thema, wenn man ehrlich ist. Ein Ingenieur in einem von mir betreuten Start-up sagte folgendes: „Unsere Stärke war es immer, dass wir mit kurzen Wegen für jedes Problem eine Lösung gefunden haben. Wir haben uns auf dem Flur getroffen, das Thema besprochen und wussten, wie wir weitermachen. Das ist heute durch das mobile Arbeiten um ein Vielfaches schwieriger geworden. Jeder Abstimmungscall per Zoom, Teams etc. kostet Zeit und Koordination. Das macht uns einfach langsamer.“

10 Punkte, mit denen Führungskräfte dazu beitragen können, dass Menschen motiviert sind, im Büro zu arbeiten

Was können Führungskräfte tun, um die Identifikation und die Loyalität der Mitarbeitenden mit dem Unternehmen zu stärken?

  • Anerkennen, dass der Weg zurück ins Büro zunächst einmal mit einem Verlust an Autonomie einhergeht. Dieser Verlust an Autonomie kann demotivierend wirken. Führungskräfte sollten diesen Zusammenhang verstehen und emphatisch damit umgehen.
  • Den Sinn und den Zweck der Arbeit im Büro deutlich machen und selbst zu den Vorteilen der Büroarbeit stehen, anstatt die persönlichen Interessen in den Vordergrund zu stellen.
  • Nachteile anerkennen, die sich durch Fahrtzeiten beim täglichen Pendeln und familiäre Umstände wie feste Abholzeiten für Kinder ergeben. Hier helfen Entscheidungsformate wie Konsent, um die Mitarbeitenden zu befähigen, im Team und ohne die Führungskraft einen Ausgleich zu erzielen zwischen persönlichen Interessen und beruflichen Notwendigkeiten.
  • Anerkennen, dass nicht jeder Zeit und Interesse hat, an den Teambuilding-Aktivitäten nach Feierabend teilzunehmen, die jetzt das Miteinander wieder stärken sollen. Wege finden, um auch während der Arbeitszeit Gemeinschaft im Team zu erzeugen, z.B. durch gemeinsame „wine & cheese“ events am Freitagvormittag.
  • Ausgleichend wirken bei der Frage der Temperierung von Büroräumen, insbesondere in Großraumbüros.  Unterschiede im Metabolismus sind dafür ausschlaggebend, bei welcher Raumtemperatur man sich wohlfühlt. Studien in den USA haben gezeigt, dass Großraumbüros häufig gemessen an den Standards eines männlichen Metabolismus temperiert werden, was Frauen häufig schneller frieren lässt.
  • Raum schaffen für ungeplante, informelle zwischenmenschliche Begegnungen von Angesicht zu Angesicht, die nur im Büro möglich sind.
  • Raum schaffen für geplante, strukturierte Formate wie Retrospektiven mit Austausch von Erfahrungen, Vorstellung von neuen Mitarbeitenden, inhouse-Trainings, Mentoring, Coaching und andere Formate, bei denen man voneinander lernen kann.
  • Flexibilität zeigen beim Umgang mit Betriebsvereinbarungen, z. B. halbe Bürotage ermöglichen, ohne einen ganzen Tag Home Office zu verlieren.
  • Persönliche Zeit einplanen mit den Mitarbeitenden, die sich die Mühe machen, ins Büro zu kommen.
  • Moderne Formen von Arbeitszeitregelungen, z.B. in Form der 4-Tage Woche in Betracht ziehen, um einen Interessenausgleich zu schaffen.

Fazit

Es wird sicherlich nicht möglich sein, es jedem Recht zu machen. Manche Persönlichkeiten bevorzugen die Arbeit im Büro und andere die Arbeit im Home Office. Die Bedingungen in einem Großraumbüro und das activity-based working sind nicht jedermanns Sache.

Wichtig ist es, konstruktiv und offen darüber zu reden, welche Vor- und Nachteile die jeweilige Arbeitsweise aus Sicht der Mitarbeitenden und aus Sicht der Geschäftsführung hat, ohne sich „auf den Schlips getreten“ zu fühlen, ohne also einen offenen Meinungsaustausch als persönliche Entwertung oder Misstrauen zu verstehen. Die Diskussionen über das Thema erlebe ich häufig als hitzig und persönlich. Das wird der Ernsthaftigkeit der Sache in Zeiten von Fachkräftemangel nicht gerecht.

Es ist wichtig, dass die Dialogfähigkeit und das gegenseitige Vertrauen im Unternehmen gestärkt wird, um einen sachlichen und auf Ausgleich ausgerichteten Diskurs zu führen, sonst geht die Identität mit dem eigenen Unternehmen eher noch schneller verloren.