Für mich ist es immer eine große Freude, mit Menschen aus verschiedenen Kulturen zu tun zu haben. Sowohl interkulturelle Geschäftsbeziehungen als auch Reisen in andere Kulturkreise empfinde ich als sehr bereichernd.

Man sollte gerade im Business aber ein paar Dinge beachten, um Missverständnisse zu vermeiden. Ein paar Tools dafür habe ich hier zusammengestellt.

Der Fall

Der Tage beginnt voller Vorfreude auf einen spannenden Workshop in einem interkulturellen Kontext. Zwei Teams treffen sich, um mit meiner Moderation einen fachlichen Interessenkonflikt zu überwinden. Die Teilnehmenden sind mir zum Teil bekannt, aber nicht alle. Einige Überraschungen sind also möglich.

Eine Stunde ist vergangen. Der Workshop entwickelt sich positiv, die Themen sind angesprochen und die Zielsetzung ist von allen Beteiligten klar definiert worden. Plötzlich bricht mitten in der thematischen Arbeit ein Konflikt zwischen zwei Teilnehmern los. Ein russischer Teilnehmer aus dem einen Team wird laut und beschuldigt lautstark eine spanische Teilnehmerin aus dem anderen Team, über ihn zu lachen. Die Teilnehmerin wird weiß im Gesicht, verliert die Fassung und verlässt den Raum.

Bumm, dahin ist die konstruktive Atmosphäre. Was war passiert?

In den Jahren meiner beruflichen Tätigkeit habe ich mit vielen verschiedenen Kulturen zu tun gehabt. Inder, Chinesen, US-Amerikaner, Mexikaner gehörten zu meinen Geschäftspartnern. In Trainings habe ich mit Menschen aus allen Kontinenten dieser Welt zu tun.

Mit der Art und Weise, wie in Russland Konflikte bewältigt werden, war ich jedoch noch nicht in persönliche Berührung gekommen. Ich bin nie näher an Russland gekommen als ein Einreisevisum im Pass.

Unterschiedliche kulturelle Prägungen stellen in einem internationalen Umfeld potenzielle Konfliktherde dar, die mal offener wie in diesem Fall und mal subtiler zu Tage treten.

Daher ist es wichtig für Personen, die in einem internationalen Umfeld tätig sind, ein paar Spielregeln zu beachten, bzw. über eine Checkliste für unterschiedliche Prägungen zu verfügen.

Tipps für den Umgang mit kulturellen Prägungen

Wie kann man sich gegen missverständliche Kommunikation im interkulturellen Umfeld wappnen? Neben persönlicher Erfahrung hilft eine Landkarte, auf der verschiedene Kulturen relativ zueinander verortet werden sind, um mögliche Fettnäpfchen zu vermeiden.

Disclaimer: Alle Aussagen über Kulturen sind rein kollektiver Art und basieren auf Mittelwerten. Persönlichkeit und insbesondere die Kenntnis von und Rücksicht auf interkulturelle Fragen können selbstverständlich zu einem Verhalten führen, was von der kulturellen Prägung des jeweiligen Herkunftslandes mehr oder weniger abweicht. Trotzdem sind die beschriebenen Dimensionen und die jeweils relativen Positionen verschiedener Länder ein gutes Indiz dafür, worauf man in einem internationalen Business-Kontext achten sollte.

Der erste, der diese Dimensionen bildete, war der Niederländer Geert Hofstede. Hofstede studierte Daten aus einer weltweiten Umfrage unter Arbeitnehmern des IT-Konzerns IBM. Aus diesen Daten leitete Hofstede fünf Dimensionen ab, anhand derer sich kulturelle Prägungen skalieren und damit relativ zueinander differenzieren lassen.

Eine weitere Form der Skalierung kann man dem internationalen Bestseller „The Culture Map“ der US-amerikanischen Autorin Erin Meyer entnehmen. Erin Meyer lehrt an der INSEAD-Hochschule in Frankreich.

Inzwischen ist das Konzept von Hofstede überarbeitet worden und einige Faktoren sind ersetzt worden. Die drei wesentlichen Faktoren aus meiner Sicht sind die folgenden:

Distance to Power (Erin Meyer: Leading / Deciding):

der Grad, zu dem in einer Gesellschaft hierarchische Unterschiede und auch Abhängigkeitsverhältnisse zu höher gestellten Personen als akzeptabel angesehen werden.

Beispiel: Die Niederlande scoren sehr niedrig, im direkten Kontakt habe ich als Deutscher die Kultur des Landes sowohl in Firmen, Haushalten als auch im Militär als sehr egalitär erlebt. Im Gegensatz dazu ist die Kultur in China und Indien sehr hierarchisch. Es ist sehr selten, dass Personen in China oder Indien in einer Verhandlung etwas zum Kunden sagen, wenn eine höher gestellte Person im Raum ist, ohne sich sehr sicher zu sein, dass die Meinung vom Chef oder der Chefin geteilt wird.

Weiterhin kann man an dieser Dimension Unterschiede festmachen bei Fragen wie was erwarte ich von meinem Chef (Entscheidung und Übernahme von Verantwortung oder Partizipation und Moderation) oder wer sollte eine Entscheidung treffen (der Vorgesetzte oder das Team).

Distance to Power hilft eher wenig, um Konflikte zwischen den Mitgliedern von Teams zu erklären, da es vor allem um unterschiedliche Erwartungen über hierarchische Ebenen hinweg geht.

Erin Meyer unterscheidet zwischen der Bedeutung des Werts Gleichheit („egalitarian“) in der Führung (Leading) und bei den präferierten Entscheidungsmechanismen (Deciding). Während die meisten egalitären Kulturen einen hohen Wert im Konsens sehen, gehen die USA einen anderen Weg, wenn laut Erin Meyer trotz einer eigentlich egalitären Geschäftskultur, z.B. durch flache Hierarchien ausgedrückt, häufig Top-Down Entscheidungen getroffen werden.

Individualismus:

welche Rolle spielt das Individuum in Beziehung zu einer Gruppe? Wie weit sind persönliche Interessen handlungsleitend? Vertrauen Menschen eher einer Gruppenentscheidung oder einer individuellen Entscheidung? Nicht überraschend scoren die USA und Großbritannien hoch und insbesondere China mit seiner vom Konfuzianismus geprägten Geschichte sehr gering.

Im Geschäftsfeld geht es um Erwartungen in Bezug auf Unterstützung durch die Gruppe, Loyalität gegenüber einer Gruppe, die Frage, wie offen man seine Meinung und Gefühle äußert und welche Rolle Gesichtswahrung im Konfliktfalle spielt.

Erin Meyer detailliert den Faktor Individualismus mit mehreren Skalen. Zwei wichtige Skalen sind in diesem Kontext explizit vs. implizite Kommunikation und direkte vs. indirekte Art, Kritik zu äußern.

Explizite vs. implizite Kommunikation

Explizite Kommunikation, auch als low context bezeichnet, bedeutet, dass Aussagen klar formuliert werden. Während auch hier die USA (bis hin zum expliziten „just kidding“ ), Australien, Kanada, die Niederlande und Deutschland sehr hoch scoren, liegen Frankreich, Italien und Spanien in der Mitte und Länder wie China, Korea und Japan am äußeren Rand der impliziten Kommunikation.

Implizite Kommunikation, auch high context genannt, führt dazu, dass Aussagen nur im kulturellen Kontext verlässlich eingeordnet werden können. Ich erinnere mich noch gut daran, wie wir zu Studienzeiten einmal einer Gruppe von japanischen Studenten, die bei uns übernachtet haben, angeboten haben, unser Bad zu nutzen. Erst nach mehrfacher deutlicher und insistierender Einladung durch uns war die kulturelle Barriere durchbrochen. Unsere Kommunikation hatte wohl aus Sicht der japanischen Studenten zu viel Raum für Zweifel enthalten.

Evaluating – wie direkt oder indirekt wird Kritik geäußert.

Während Briten sehr indirekt Feedback geben („with all due respect …“, „very interesting“, „please think about it differently“), kann diese subtile Form von Kritik bei Personen mit einem eher direkten kulturellen Kontext komplett falsch (neutral bis positiv) verstanden werden. Das heißt aber nicht, dass Briten im Allgemeinen eine high context Kultur hätten. Im Gegensatz zu den US-Amerikanern kommunizieren Briten zwar mit mehr Interpretationsspielraum, aber dennoch deutlich expliziter als die romanischen Kulturen wie Frankreich, Italien und Spanien, in denen wiederum expliziter Kritik geäußert wird.

Trotz der Tendenz zur impliziten Kommunikation kritisieren Chefs in einer streng hierarchischen Kultur durchaus direkt ihre Mitarbeiter, so geschehen mehrere Male während meiner Besuche beim Lieferanten in Bangalore, Indien, bei denen der Geschäftsführer seinen Mitarbeiter regelmäßig vor den Augen der europäischen Kunden anbrüllte („Sreekaaaaaannnnnnnnthhhhhh!!!! Why has this happeeeeennnnnned???“).

Aufschlussreich für die Entschlüsselung der oben genannten Situation ist die Evaluating- Skala auf alle Fälle. Russland steht hier für eine sehr direkte Form des Feedbacks. Spanien steht relativ deutlich weiter in Richtung indirektes Feedback.

 

Uncertainty Avoidance:

Wie reagieren Menschen auf Unsicherheit und mehrdeutige Situationen?

In dieser Situation lag wohl auch einer der Schlüssel zum Verständnis des russisch-spanischen Konflikts, den ich oben beschrieben habe. Russland scort laut Hofstede sehr hoch auf dieser Skala. Das führt zu einer sehr formalen und distanzierten Art der Verhandlungsführung und Diskussion, solange man sich nicht wirklich gut kennt. Das gleiche wird auch vom Gegenüber erwartet. Formalität und Distanz gelten als Zeichen von Respekt. Die freundliche und kollegiale Art der spanischen Kollegin empfand der russische Kollege schlicht als Provokation und Manipulation.

Diese Dimension ist unmittelbar vergleichbar mit der Dimension Trusting – task-based vs. relationship-based bei Erin Meyer. Vertrauen wird in allen Kulturen wertgeschätzt, aber der Weg zum Vertrauen kann sehr unterschiedlich sein.

Vertrauen kann auf Basis von persönlicher Glaubwürdigkeit (Kompetenz, Ruf, Errungenschaften) und Transparenz über Zahlen, Daten, Fakten („trust from the head“) entstehen. In anderen Kulturen wird Vertrauen auf Basis von persönlichen Beziehungen („trust from the heart“)  und über den Umweg von ausführlichen gemeinsamen Mahlzeiten und ggf. feuchtfröhlichen gemeinsamen Abenden gewährt. Menschen aus Kulturen, in denen Beziehungsaufbau im Vordergrund steht, sind erst dann bereit, in Geschäftsbeziehungen ihr Visier zu öffnen und ihren Schutzschild sinken zu lassen. Sie vermeiden so lange tendenziell das Risiko, in Geschäftsbeziehungen zu investieren, wie kein persönliches Vertrauensverhältnis entstanden ist.

In Russland entsteht Vertrauen relativ zu Spanien noch mehr auf der Basis von langfristigen persönlichen Beziehungen. In diesem Falle kam erschwerend dazu, dass der russische Kollege sehr wenig Erfahrung mit der deutschen Kultur hatte, während die spanische Kollegin seit Jahren in Deutschland lebt, in der man ein Vertrauensverhältnis deutlich schneller auf Basis von Kollegialität und professionellem Rollenverständnis entwickelt.

Schließlich kommt noch eine weitere Dimension zum Tragen, um den Konflikt zu erklären.

Disagreeing – confrontational vs. avoiding confrontations:

die Art und Weise, wie verschiedene Kulturen mit Konfrontationen, Konflikten oder dem Austausch von Argumenten umgehen.

Meiner persönliche Erfahrung nach gibt es zum Beispiel deutliche Unterschiede zwischen Franzosen und Deutschen. Während Franzosen den offenen Diskurs lieben und sich in der Sache gegenseitig herausfordern („challenging“), nehmen viele Deutsche solche Nachfragen als Kritik an der eigenen Person wahr und reagieren dünnheutig bis persönlich beleidigt. Nach Aussage von ehemaligen Kollegen werden offene Diskurse bereits in französischen Schulen gepflegt.

Auf der anderen Seite der Skala befinden sich wie Erin Meyer betont kollektivistisch und konfuzianisch geprägte Gesellschaften, in denen ein offen ausgetragener Konflikt als unhöflich gilt, weil er einerseits einen Affront gegen die Gruppenharmonie darstellt und andererseits Kritik gleichzeitig zu einem persönlichen Gesichtsverlust führen kann.

Im oben genannten Beispiel ist es relevant, dass Russland als sehr konfrontative Kultur gilt, wenn es um den Austausch von Argumenten geht. Obwohl Spanien ebenfalls eine eher konfrontative Kultur hat, neigt Russland deutlich mehr in Richtung Konfrontation.

Wichtig für diese Art von Konflikten ist vor allem Bewusstheit, dass Kulturen sich unterscheiden, kombiniert mit ein paar Regeln, in welche Richtung diese Unterscheidungen gehen. Der praktische Tipp, den Erin Meyer gibt, damit ein gegenseitiges Vertrauen entsteht und keine kommunikativen Missverständnisse das Verhältnis belasten, liegt im „Framing“. Im Zweifel sollte man also die Bedeutung des eigenen Verhaltens erklären, damit der Spielraum für falsche Bewertungen möglichst klein wird.

Fazit

Wichtig für diese Art von Konflikten ist vor allem Bewusstheit, dass Kulturen sich unterscheiden, kombiniert mit ein paar Regeln, in welche Richtung diese Unterscheidungen gehen. Der praktische Tipp, den Erin Meyer gibt, damit ein gegenseitiges Vertrauen entsteht und keine kommunikativen Missverständnisse das Verhältnis belasten, liegt im „Framing“. Im Zweifel sollte man also die Bedeutung des eigenen Verhaltens erklären, damit der Spielraum für falsche Bewertungen möglichst klein wird.

Du möchtest mehr dazu erfahren, wie Du die Bewusstheit für interkulturelle Prägungen in Deinem Team erhöhen kannst, um entspannter und erfolgreicher im Team zu agieren.

Lass uns reden, ich mache Dir gerne ein individuelles Angebot.