Von Löwenmut und Igelstacheln – Warum Konfliktfähigkeit für Teams wichtig ist

Neulich habe ich in einer Videokonferenz mit einem Kunden ein Training für Führungskräfte vorbereitet. Wir waren uns weitgehend einig, unter anderem sollte ein Teil des Trainings die Vermittlung von Erfolgsfaktoren für die Teamarbeit sein. Dabei erwähnte ich die besondere Bedeutung der Konfliktfähigkeit im Team. Auf das Wort Konflikt reagierte mein Kunde, als ob sein Zahnarzt einen Vitalitätstest eines Zahnnervs gemacht hätte. Sie wissen schon, der Kältetest – autsch!

Studien haben ergeben, dass die Konfliktfähigkeit enorm wichtig ist für die Entwicklung und Effektivität von Teams. Keine Innovation wird mehr von einem einzelnen Mitarbeiter getragen, egal ob in Life Science oder Technologie. Vielfalt und Diversität sind notwendig, Fortschritt entsteht, wenn komplementäre Kompetenzen und unterschiedliche Ideen in einem kreativen Umfeld aufeinandertreffen.  Diese Vielfalt bringt aber eben auch inhaltliche Spannung mit sich. Aber ohne Spannung kein Fortschritt, das kann man bei den Biologen und Anthroposophen nachlesen. Wo Spannung ist, da entstehen Konflikte. Die Kunst besteht darin, diese Konflikte konstruktiv zu nutzen.

Warum ist das Wort Konflikt so spannungsgeladen?

Welche Filme laufen vor unserem inneren Auge ab, wenn wir das Wort Konflikt hören? Sind das Filme von verstörenden, emotionalen, vielleicht demotivierenden Kämpfen? Oder sehen wir Filme von konstruktiver Auseinandersetzung, ehrlichem Ringen um die beste Lösung und Streit in der Sache?

Machen Sie einmal einen kurzen Test: schreiben Sie einmal 10 Begriffe auf, die Sie persönlich mit dem Wort Konflikt assoziieren. Jetzt gleich.

Fertig? Jetzt prüfen Sie bitte, ob diese Begriffe für Sie persönlich eher positiv klingen, oder negativ. Wenn ich diesen kleinen Test in einem Workshop oder in einem Training mache, sind immer Menschen dabei, die mindestens acht von zehn Begriffe aufgeschrieben haben, die für sie persönlich eine negative Bedeutung haben, zum Beispiel Stress, Ärger, Ineffizienz, Konfusion. Andere Teilnehmer schreiben ganz andere Begriffe auf, wie Lösung, Durchbruch, Vorankommen.

Diese kleine Übung zeigt, wo das Problem liegt. Aufgrund unserer individuellen Prägungen nehmen wir die Welt um uns herum unterschiedlich wahr und treffen unterschiedliche Entscheidungen.

3 Entscheidungen bestimmen über unsere Konfliktfähigkeit.

Der bekannte US-amerikanische Coach Tony Robbins sagt, dass drei Entscheidungen, die wir jeden Tag treffen, dafür verantwortlich sind, wie wir die Qualität unseres Leben empfinden:

  • Worauf wir unsere Wahrnehmung fokusieren

  • Welche Bedeutung wir den Dingen geben

  • Welche Aktionen wir starten

Wenn wir an Konflikten den Teil wahrnehmen, der den Puls hochgehen lässt, der uns Stress bereitet und dem die Bedeutung geben, dass wir in die Enge gedrängt werden, dass andere uns mit unangenehmen Dingen konfrontieren oder dass wir selbst anderen auf die Füße treten, dann treffen wir möglicherweise die Entscheidung, unseren Standpunkt zurückzuhalten und erreichen unser Ziel nicht. Oder aber wir „keilen aus“ und werden aus lauter Not in Ton und Inhalt aggressiv und persönlich. Beide Verhaltensweisen sind wahrscheinlich nicht förderlich für den Konflikt und führen zu einer negativen Erfahrung.

Wenn wir an Konflikten den Teil wahrnehmen, der uns einer Lösung näherbringt, die wir trotz unterschiedlicher Interessen gemeinsam vertreten können, für die wir nach einem zähen Ringen zusammen einstehen können und uns auch gegenseitig zur Verantwortung ziehen können, dann sehen wir es wahrscheinlich als sinnvoll an, den Konflikt konstruktiv auszutragen und Spannungen auszuhalten. Dann entscheiden wir uns wahrscheinlich dafür, konzentriert und in gegenseitiger Achtung nach Lösungen Ausschau zu halten. Dann werden wir vielleicht positive Erfahrungen mit dem Konflikt machen und beim nächsten Mal wieder eine positive, konstruktive Strategie einschlagen.

Positive Rückkopplung, oder negative Rückkopplung, Aufwärtsspirale oder Abwärtsspirale, alles eine Frage unserer Entscheidungen.

Natürlich treffen wir diese Entscheidungen nicht willkürlich. Laut Tony Robbins sollten wir kurzfristige und langfristige Einflussfaktoren auf dem Radar haben.

Emotionen haben kurzfristige Auswirkungen

Kurzfristig ist unser emotionaler Zustand entscheidend.

  • Emotionen

    Verfügen wir über die positive Energie, um weiterzumachen? Worauf konzentriert sich unsere Wahrnehmung? Welche Filme laufen in unserem Kopf ab?

  • Sprache

    Welche Sprache nutzen wir? Schimpfen wir ständig rum, drücken unseren Ärger oder unseren mangelnden Respekt verbal aus („das funktioniert doch sowieso alles nicht …“), oder konzentrieren wir uns auf eine wertschätzende und lösungsorientierte Sprache („wie können wir gemeinsam an dem Thema weiterkommen …“)?

4 Metaphern für Glaubenssätze zu Konflikten

Langfristig prägen uns vor allem unsere Bedürfnisse und unsere Glaubenssätze.

Ohne hier eine zu tiefgehende Diskussion um Glaubenssätze anfangen zu wollen, lassen sich für die Frage der unterschiedlichen Glaubenssätze zur Konfliktfähigkeit vier Metaphern verwenden.

Der Löwe

Er zeigt sich stets mutig und beherzt. Er weiß um seine Kraft und stellt diese zu Schau. Er geht auch keinem Konflikt aus dem Wege, wenn es sein muss. Abschrecken und Zubeißen sind seine Taktiken. Wenn seine Autorität nicht in Frage gestellt wird, kann er aber auch großmütig sein. Konflikte werden durch die Kraft der Autorität gelöst.

Der Löwe

Der Igel

Der Hase

Der Igel

Er rollt sich in Gefahr zusammen und schützt seinen verletzlichen Bauch sich durch seine Stacheln. Er hat kein Interesse an der offenen Konfrontation, weiß sich aber sehr wohl effektiv zu helfen. Wenn er einmal in der defensiven Haltung ist, kriegt er auch nicht mehr mit, was um ihn rum passiert. Er kennt dabei auch nur eine Strategie. Lösen kann man den Konflikt so wahrscheinlich nicht, nur hoffen, dass der andere von einem ablässt.

Der Hase

Er weiß, dass er die längsten Beine hat und die nutzt er auch. Er ist stets achtsam und sieht die Gefahr schon von weitem kommen. Im Zweifelsfall: abhauen. Bloß nicht zu viel Risiko eingehen und dann im Zweifel den eigenen Vorteil nicht mehr nutzen können. Auch so wird wahrscheinlich kein Konflikt gelöst werden.

Die Schlange

Für sie gibt es keinen Grund, einem Konflikt aus dem Weg zu gehen. Sie kennt ihre Ziele und ihre Kraft. Sie handelt nicht übereilt, sondern überlegt und hat stets noch eine zweite Option zur Verfügung. Sie ist nicht die schnellste, nicht die stärkste, aber vielleicht die klügste. Macht gute Miene zu jedem Spiel, zeigt sich nie in seiner ganzen Größe. Oder mit den Worten der Schlange Ka in Walt Disneys Film Das Dschungelbuch: „In der Mitte? Da ist nichts in der Mitte.“

Die Schlange

In welche Kategorie würden Sie sich selbst einordnen? Welches Konfliktverhalten liegt Ihnen am nächsten?

Konfliktfähigkeit ist die Basis für die Effektivität von Teams

Google hat seiner Studie zu den Erfolgsfaktoren der Teamarbeit die höchste Korrelation zur Effektivität von Teams bei dem Faktor psychologische Sicherheit festgestellt. Effektive Teams haben immer Methoden, um ihren Teammitgliedern die Sicherheit zu geben, dass man anderer Meinung sein kann, dass man anders denken und handeln kann, ohne von einem Gruppenzwang eingefangen zu werden oder sogar persönlich diffamiert zu werden.

Psychologische Sicherheit und Vertrauen sind laut Patrick Lencioni (The Five Dysfunctions of a Team) das Fundament für eine positive Konfliktfähigkeit. Wenn die Teammitglieder sich gegenseitig vertrauen und die Sicherheit gegeben ist, dann ist es auch möglich, Konflikte transparent und konstruktiv auszutragen.

Laut Lencioni ist das deshalb so wichtig, weil konstruktive Konfliktfähigkeit die Chance erhöht, eine für alle tragbare Entscheidung zu treffen, ohne jemanden zu verlieren oder in die innere Kündigung zu treiben. Persönliches Commitment basiert darauf, dass man seine Meinung ausreichend kundtun kann und ausreichend Wertschätzung wahrnimmt. Man muss nicht immer einhundertprozentig seine Meinung durchsetzen. Buy-In und Commitment lässt sich auch erzielen, wenn man für die eigene, von der Entscheidung abweichende Meinung ausreichend Wertschätzung erfährt.

Auf dieser Basis ist es dann möglich, dass die Teammitglieder sich gegenseitig in die Pflicht nehmen (anstatt sarkastisch hinter dem Rücken des anderen zu erwähnen, dass man das ja schon immer gewusst habe, dass er oder sie es nicht kann).

Dann entsteht Wirksamkeit durch soziale Kontrolle (sozusagen an der Graswurzel) statt nur durch hierarchische Weisung. Letztlich bedeutet das, dass die Teammitglieder ihre Fähigkeiten und ihr Engagement auf ein gemeinsames Ziel ausrichten und im Sinne dieses großen Ganzen agieren, anstatt sich auf den persönlichen Vorteil zu fokussieren.

Fazit

Konfliktfähigkeit ist wichtig für die Effektivität von Teams. Unterschiedliche Erfahrungen mit Konflikten stellen eine echte Hürde dar. Psychologische Sicherheit und Vertrauen sind die Basis, um im Team konfliktfähig und damit zielorientiert und effektiv zu sein.