Strategien im Umgang mit Komplexität

Das GPA-Schema

Im letzten Blog habe ich erwähnt, dass ich im Training das GPA-Schema nach Matthias Varga von Kibed und Insa Sparrer verwende, um den Strategien für den Umgang mit Komplexität zu strukturieren.

Heute möchte ich noch etwas näher darauf eingehen und das Konzept erläutern.

Zunächst mal: das GPA (Glaubenspolaritäten Aufstellung) Schema wird im Buch „Führung im Raum der Werte“ von Elisabeth Ferrari erläutert. Aus diesem Buch stammen auch die grundsätzlichen Erläuterungen im nächsten Abschnitt.

Das GPA-Schema ist ein Modell, mit dem man den Zugang eines Individuums oder einer Gruppe von Menschen zu Werten strukturieren kann. Es folgt einem tripolaren Ansatz. Man kann sich dem Thema Werte also von drei Polen nähern. Da ist einmal der Pol der Erkenntnis, oder auch des Wissens, der Klarheit. Dann gibt es den Pol der Ordnung, der Regeln, der Verantwortung und der Ethik. Zuletzt gibt es den Pol des Miteinanders, des Vertrauens und der Wertschätzung.

Die Bedeutung der Pole – Eintrittsmöglichkeiten in den Strategieraum

Varga von Kibed bezeichnet die Pole auch als Türen, durch die man einen Raum betritt. Durch jede Tür fällt sozusagen ein Licht in den Raum. Die Metapher steht also dafür, über welche Werte man sich einem komplexen Thema annähert. Methoden wie Profile Dynamics lassen sich nutzen, um die unterschiedlichen persönlichen Präferenzen zu ergründen.

Der Kern des Modells ist, dass ein Ausgleich zwischen den drei Polen notwendig ist, um möglichst den Raum ganz auszuleuchten. Wenn in einem Team ein Pol nicht besetzt ist, ist das Team sozusagen blind auf diesem Auge. Entscheidungen werden wahrscheinlich nicht ausgewogen sein. Dafür steht für mich die Metapher eines Segels. Man muss das Segel an drei Punkten aufspannen, damit der Wind angreifen kann und das Boot Fahrt aufnimmt.

Den Raum der Werte durch eine Tür betreten

Ein strategischer Raum für den den Umgang mit Komplexität

Das Modell wird jetzt genutzt, um durch die Türen den Strategieraum Komplexität zu betreten.

Der Pol der Erkenntnis steht für die Frage, wie generieren wir in einem komplexen Umfeld aus mehrdeutigen und überraschenden Informationen handlungsleitendes Wissen. Hier hilft zum Beispiel die Kenntnis, welche Rolle Intuition spielen kann. Wir nutzen unsere Intuition, wenn wir auf Basis von Erfahrungswissen Heuristiken anwenden. Heuristiken ersetzen komplexe Fragestellungen durch einfachere Annäherungen, die vergleichbar gut Ergebnisse erzielen. Dazu zählt zum Beispiel die Verfügbarkeitsheuristik. Gerd Gigerenzer weist in seinem Buch „Bauchentscheidungen“ nach, dass auf Basis der Verfügbarkeitsheuristik von interessierten Laien komplexe Prognosen wie Aktienkurse und  Sportergebnisse ähnlich gut ausfallen, wie die von sogenannten Experten.

Am Pol der Organisation sind die Methoden und Regeln für den Umgang mit Komplexität platziert. Das agile Manifest und daraus abgeleitete Regeln wie Scrum, Sprints sowie Rollen wie Product Owner dienen der Organisation von agiler Zusammenarbeit. Kreismodelle etc. dienen der Organisation von Selbstorganisation.

Strategien für Komplexität mit dem GPA-Schema

Zwischen dem Pol der Organisation und dem Pol der Erkenntnis lassen sich Entscheidungsverfahren verorten. Hierzu zählen zum Beispiel die Widerstandsabfrage, der Fallentscheid oder der Konsent. Diese Entscheidungsverfahren stehen stellvertretend für moderne Verfahren, die zwar durchaus langwierig sein können, aber dafür ein hohes Maß an Komplexität abbilden können. Sie sind in der Lage sind, vielfältige Meinungen zu integrieren und zu einer gemeinsam getragenen Lösung zu kommen.

Am Pol des Miteinanders steht die Haltung, die für die Beherrschung von Komplexität notwendig ist: Vertrauen und ein Menschenbild von individueller Motivation, Selbstverantwortung und Leistungswillen. Hierzu gehören auch Strategien zur Erhöhung der Resilienz im Umgang mit Unsicherheit und Ambiguität.

Zwischen dem Pol der Organisation und dem Pol des Miteinanders kann man zum Beispiel das Konzept der Fehlertoleranz verorten. Fehlertoleranz vereinigt für mich Elemente von Organisation und Regeln wie von Vertrauen und Miteinander.

Zwischen den Polen des Miteinanders und der Erkenntnis kann man Methoden des gemeinsamen Lernens wie Retrospektiven platzieren. Genauso gehören dorthin Transparenz, Feedback und der Umgang mit Wissen in einer lernenden Organisation.

Genauso sehe ich zwischen diesen beiden Polen Strategien, um Schwarmdummheit zu vermeiden und stattdessen Schwarmintelligenz zu erzeugen. Damit meine ich die Fähigkeit, sich als Team selbst in Frage zu stellen und eine Metakommunikation zu entwickeln, um kollektive Denkfallen zu verhindern. Eine bekannte kollektive Denkfalle ist das „Not invented here“ Syndrom. Daniel Kahneman („Schnelles Denken, langsames Denken“) spricht von der „sunk cost fallacy“, also dem Ego-basierten Symptom, dass man schlechtem Geld weiteres gutes Geld hinterherwirft, weil man sich aufgrund eines hohen persönlichen Investments nicht eingesteht, dass ein Projekt gescheitert ist. Kahneman und auch Ray Dalio („Principles“) erwähnen darüber hinaus auch „Group Think“. Group Think bedeutet, dass man aus kollektiver Konformität in einen gedanklichen Mainstream gerät, der statt kreativer Widerrede innerhalb der Gruppe zum Gruppenzwang führt.

Zusammenfassend:

in Trainings wird mir manchmal die Frage nach einer Checkliste im Umgang mit Komplexität gestellt. Meiner Meinung nach kann es das pauschal nicht geben, denn dann wäre man ja in einem komplizierten Raum und nicht in einem komplexen Raum. Das GPA-Schema stellt daher für mich eine sehr gute systemische Annäherung an das Thema dar. Es ist geeignet, um in der Sprache von Heinz von Förster „unentscheidbare Fragen“, also Fragen, deren Beantwortung nicht im weiteren Verlauf objektiv überprüft werden kann, zu beantworten.